Saxifraga florulenta

Der Mercantour-Steinbrech Saxifraga florulenta

Krieg um die Krone wäre unvermeidbar zwischen den beiden Steinbrechkönigen, würden sie im selben Reich regieren. Glücklicherweise sind die Verhältnisse aber völlig unkritisch: Saxifraga longifolia regiert in den Pyrenäen, der andere - Saxifraga florulenta - ist der unumstrittene Steinbrechkönig in den Seealpen und auch nur dort anzutreffen.

Und weil üblicherweise allem was selten ist, ein besonders hoher Wert beigemessen wird, hat Saxifraga florulenta einen beinahe legendären Ruf.

Nur wenige haben die Pflanze zu Gesicht bekommen, und kaum jemand stand je voller Bewunderung vor dem überaus stattlichen Blütenstand der Pflanze.

Wir wollten das Reich des Steinbrechkönigs erwandern und fuhren zunächst auf guter Straße bis zum Talschluss des Vallon de la Madone de Fenestre und stiegen auf zum Col de Fenestre.

Unterwegs hatten wir ausgiebig Gelegenheit, die Steinböcke zu beobachten und all das zu bedenken, was wir über die Standortbedingungen des Mercantour-Steinbrechs gehört und gelesen hatten.

Wir wussten, dass er extrem selten und wenn, dann meist auch nur sehr vereinzelt vorkommt. Dass er seine Wurzeln tief in die Felsritze senkrechter oder gar überhängender, feuchter Felswände hinabtreibt, war uns ebenfalls bekannt. Auch die Information, dass er nur in einer Höhe von 1900 bis 3200 m zu finden ist, hatte uns schwer beeindruckt. Wer den Steinbrech finden will, muss schließlich ebenso hoch aufsteigen. Und auch die Tatsache, dass die Pflanze bis zu 30 Jahre alt werden kann und erst im hohen Alter ihre imposanten Blütenstände in die klare Bergluft treibt, ist immer wieder zu lesen.

Nun, um es vorneweg zu sagen: eine blühende Pflanze haben wir nicht gefunden, konnten wir nicht finden, denn dafür waren wir viel zu früh im Jahr unterwegs. Aber nach eifriger und sehr ausdauernder Suche auf dem Weg zum P. des Ladres mit seiner herrlichen Aussicht auf den Lac de Trecolpas haben wir mehrere kleine Rosetten entdeckt und uns gefreut, buchstäblich wie Kinder an Weihnachten.

Alles was wir wussten, fanden wir bestätigt. Die Höhenstufe, die Orientierung, der Habitus, der rein grüne Blattwirbel ohne jede Kalkkruste , die wir von andern Steinbrech-Arten kennen.

Wer das Glück hat Ende Juli/Anfang August, ein blühendes Exemplar zu finden, hat es gewissermaßen mit einer lebendigen Leiche zu tun, denn unmittelbar nach der Selbstaussaat stirbt die Pflanze ab.

Wenn' s am schönsten ist, sollte man aufhören! Eine Botschaft, die einem das Botanisieren in Erinnerung rufen kann. Und deswegen endet der Beitrag auch genau an dieser Stelle.