Saxifraga tombeanensis

Der Tombea-Steinbrech (Saxifraga tombeanensis)



Trägt eine Pflanze den Fundort schon im Namen, hat es der Pflanzenfreund scheinbar leicht, sie in der Natur zu finden. Nur – hin und wieder trügt der Schein. Unsere Suche am Cima Tombea blieb erfolglos und auch am benachbarten Cima Caplone konnten wir die Pflanze nicht entdecken.Aber die „Taufe“ einer Pflanze liegt oft viele Jahrzehnte zurück und in dieser Zeit hat sich nicht nur klimatisch viel verändert.

Die Suche nach Saxifraga tombeanensis Boiss. Ex Engl. (syn. Sax. diapensoides Neilr.; bitte nicht verwechseln mit Sax. diapensoides Bell.) lohnt auf jeden Fall, denn es ist eine ganz bezaubernde Bewohnerin steiler Kalkfelsspartien und ist vor allem westlich des Gardasees zu finden.

Die senkrechte Felswand wird bevorzugt, weil dort das Wasserregime natürlicherweise optimal ist

Man zählt drei bis fünf kalkausscheidenden Grübchen auf der Blattunterseite. Die Grundblätter sind verkehrt eiförmig, mit aufgesetzten, gekrümmten Stachelspitzen. Sie sind ganzrandig, auf der Fläche ohne Kalkkruste und werden von einem schmalem Knorpelrand begrenzt. Aber es wird nicht notwendig sein, diese nur mit der Lupe zu identifizierenden Merkmale zur Abgrenzung gegen Saxifraga caesia und Saxifraga squarrosa heranzuziehen; denn die überraschend harten, lebhaft-grünen Polster – mit einer Ausdehnung bis zu einigen Dezimetern – die in der Regel wie angeklebt an senkrecht abfallenden Felspartien hängen, wird man leicht erkennen. Und man fragt sich, woher nehmen die Pflanzen die Nährstoffe, denn außer Fels und Pflanzen ist kaum etwas zu erkennen. Die Polster überwachsen die Felsspalten in denen sich das Wurzelwerk mit Wasser und Mineralien versorgen kann.

D. Aichele/H. -W. Schwegler spendieren der Art weder eine erhellende Beschreibung, noch eine Abbildung in dem 5-bändigen Werk „Die Blütenpflanzen Mitteleuropas“ im Band 2. Sie nennen aber als Verbreitungsgebiet die Judikarischen Alpen und setzen hinzu „sehr selten“.
Diese Angabe ist zu präzisieren: Die Verbreitung der Art reicht vom Idrosee über die Judikarischen Alpen bis in die Brenta hinein.
Laut Schmeil-Fitschen 2016 kommt die Art aber auch in der Provinz Bozen am Mendel und am Fennerjoch vor. Die meisten Vorkommen liegen zwischen 1200m und 2000m.

In exponierteren Positionen „ducken“ sich die Pflanzen, die Blütenstengel bleiben kürzer

Nordöstlich von Riva kann man die Pflanzen an steilen, aber nicht immer schattigen Kalksteinflanken finden und sogar am Monte Baldo gibt es noch zwei Inselvorkommen. Am Monte Altissimo di Nago besiedelt die Art seeseitige senkrechte Felswände.

Auch die „Flora illustrate del Monte Baldo“ nennt das Vorkommen am Monte Altissimo di Nago, kennt sogar noch einen weiteren Standort in der Nähe der Cima di Valdritta.

Die zuerst entdeckte Pflanze

Besonders am Monte Capione (1977 m) südöstlich von Storo ist die Art sicher auffindbar. Will man die Pflanze in Blüte erleben, lohnt eine Exkursion im Mai und Juni. Oft ist sie vergesellschaftet mit den beiden Primelarten Primula spectabilis und Primula auricula. Die Alpenaurikel ist als kalkstete Art in den Kalkalpen überall vertreten. Die Prächtige Primel ist im gesamten Gebiet – in den Bergamasker-, den Judikarischen Alpen, in der Brenta und auch am Monte Baldo nicht selten und schmückt mit ihrer rosarot bis violettroten Krone mit weißem Schlund so manche Felspartie aufs aparteste.

Primula spectabilis und Primula auricula

Meine Suche nach alten Beschreibungen der Art blieb sehr lange erfolglos.

Erst der Kontakt zu Bernhard Röllich, der noch mit Karl Förster in der weltberühmten Staudengärtnerei in Potsdam-Bornim zusammengearbeitet hat und sich im Jahre 1993 als Herausgeber einer neugestalteten und reich bebilderten Auflage des Standardwerks aller Steingartenfreunde „Der Steingarten der sieben Jahreszeiten“ verdient gemacht hat, trug schließlich zur Klärung der Lage bei.

„Die Erstbeschreibung von Boissier ex Engler, d.h. das Herbarblatt ist im 2. Weltkrieg durch anglo-amerikanischen Bombenabwurf in Berlin-Dahlem verbrannt“ teilte er mir in einem Brief im Februar 2020 mit.

Der Tombea-Steinbrech vor der Gipfelkulisse